Chianti (Italien)

ALLGEMEIN:
Das ausgedehnteste unter den zahlreichen Qualitätswein-Zonen der Toskana ist das Chianti. Ein riesiges Anbaugebiet, doppelt so groß wie das Großherzogtum Luxemborg oder das gesamte Médoc. Das Chianti ist kein einheitlich geschlossenes Gebiet. Es beginnt nördlich von Florenz/Pistoia, zieht sich südlich über Montalcino und Montepulciano hinaus bis an die Grenze Umbriens. In der West-Ost-Ausdehnung reicht das Chianti von Livorno bis über Arezzo hinaus. Geprägt wird das Bild des Chianti von historischen Städten wie Florenz, Siena oder San Gimignano, von sanften Hügeln, Wäldern aber auch von Pinienbaumalleen. Der Chianti ist für viele der Inbegriff italienischen Weins schlechthin. Mit seiner mit Stroh umflochtenen Flasche (der fiasco) gilt er als nahezu vollendeter Ausdruck italienischer Lebensfreude. Viele deutsche Touristen haben Anfang der 60er so Italien, die Toskana und den italienischen Wein kennen gelernt.

GESCHICHTE:
Vermutlich ist die Bezeichnung Chianti aus dem Namen einer etruskischen Familie entstanden. Die Römer nannten dieses Gebiet Chianti Clante, was Stimme des Waldes bedeutet. Die erste urkundliche Erwähnung eines Chianti-Weines stammt aus dem Jahre 1398/1404, es war allerdings ein Weißwein aus Vignamaggio. Ursprünglich galt die Bezeichnung Chianti nur für die Gebiete um Radda, Gaiole und Castellina in der Provinz Siena im Süden des heutigen Chianti-Classico-Bereiches. Die Feudalherren des Chianti-Bundes besaßen dort schon im 13. Jahrhundert Weinberge. Über die Entstehung der alten Grenzen gibt es folgende schöne Legende aus dieser Zeit: Die verfeindeten Bürger der beiden Stadtstaaten Siena und Florenz wollten ihre ewigen Grenz-Streitigkeiten beenden und durch einen Wettkampf die Einfluss-Bereiche festlegen. Beim ersten Hahnenschrei sollten zwei Reiter - einer von Siena, einer von Florenz - aufbrechen. Wo sie aufeinander treffen würden, sollte die endgültige Grenze sein. Die Sienesen besaßen einen weißen Hahn, den sie so sehr fütterten, dass dieser fett und faul wurde und lange schlief. Die Florentiner hingegen hatten einen schwarzen Hahn, den sie hungern ließen, sodass dieser sehr früh zu krähen begann. Deshalb konnte ihr Reiter viel früher starten und traf 15 Kilometer vor Siena beim Ort Fonterutoli auf seinen Gegner. Damit erhielt Florenz einen großen Teil des Chianti-Gebietes. Das heutige Wahrzeichen von Chianti-Classico ist der Gallo nero (schwarzer Hahn) und erinnert an diese vielleicht nicht ganz wahrheitsgetreue, aber schöne Geschichte.
Ein roter Chianti wurde bereits im frühen Mittelalter produziert, die verwendeten Rebsorten haben sich aber ganz sicher geändert und wurden damals auch nicht so rigoros vorgegeben bzw. mangels Kontrolle auch nicht befolgt. Wahrscheinlich stellte jeder Winzer seinen Chianti gemäß den in seinem Weinberg vorhandenen Sorten her. Nach einer Dokumentation aus dem Jahre 1773 bestand der damalige Chianti zum großen Teil aus Canaiolo Nero mit kleineren Anteilen von Sangiovese, Mammolo und Marzemino, also durchwegs roten Sorten. Doch es werden auch die weißen Sorten Tribbiano und San Colombano erwähnt. Der legendäre Baron Bettino Ricasoli (1809-1880) führte ab 1850 zahlreiche Versuche durch, um ein optimales Rezept zu finden. In einem Brief aus dem Jahre 1872 fasste er das Ergebnis seiner jahrzehntelangen Experimente zusammen. Er empfahl Sangiovese als Hauptrebsorte (75%, für Bouquet und Kraft) und zur Milderung Canaiolo Nero (15%). Die weiße Malvasia del Chianti wurde für jung genussreife Weine als Zusatz vorgeschlagen, jedoch ausdrücklich für länger lagerfähige Weine davon abgeraten. Die weiße Sorte Trebbiano wurde in seinem Rezept überhaupt nicht berücksichtigt, sondern kam erst später dazu (bis 10%). Weiter waren auch noch andere Rebsorten (bis 5%) erlaubt. Aber noch bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde von den meisten Winzern weiterhin das alte Rezept mit hohem Anteil an Canaiolo Nero verwendet, die Ricasoli-Empfehlungen setzten sich bei den traditionsbewussten Weingütern nur langsam durch.
Im Verlaufe der Jahrhunderte dehnten sich die Weinberge des Chianti-Bereiches gewaltig aus: nach Norden bis über Greve und San Casciano, nach Osten durch die Florentiner Berge bis Arezzo, nach Süden bis weit über Siena hinaus und nach Westen bis Pisa bis fast an die thyrrhenische Küste. Das Großherzogtum Toskana unter Cosimo III. (1642-1723) aus dem Geschlecht der Medici definierte bereits im Jahre 1716 eine der ersten geschützten Ursprungs-Bezeichnungen für Weinbau-Gebiete. Dies betraf die Gebiete Carmignano, Chianti, Pomino und Val d´Arno di Sopra. Per Dekret wurden die Grenzen festgelegt und verboten, dass Weine aus anderen Bereichen so genannt werden. Das erscheint heute vielleicht als selbstverständlich, war aber zu dieser Zeit eine bahnbrechende Erneuerung. Das in der Zwischenzeit weiter gewachsene Chianti-Gebiet ist aber kein geschlossener Bereich, sondern überschneidet sich mit vielen anderen DOC-Zonen bzw. darf auch in anderen DOC-Zonen ein Chianti produziert werden. Dies sind unter anderem Carmignano, Montalcino, Montepulciano, Pomino, Val d´Arbia, Valdichiana und Vernaccia di San Gimignano.

ANBAUGEBIETE:
Das heutige Chianti-Gebiet umfasst Rebflächen in den sechs Provinzen Arezzo, Florenz, Pisa, Pistoia, Prato und Siena mit rund 7.000 Produzenten in über 100 Gemeinden. Die Gesamt-Rebfläche des Chianti-Bereiches beträgt rund 24.000 Hektar, davon 7.000 Hektar für den Classico-Bereich. Darüber hinaus gibt es noch eine engere Ursprungs-Bezeichnung mit acht Subzonen:

  • Chianti Classico (mit den Gemeinden Radda, Greve, Gaiole, Castellina, Barberino, Berardenga, San Casciano)
  • Chianti Colli Aretini (zusammenhanglos um Arezzo )
  • Chianti Colli Fiorentini (um Florenz/nördlich um das Chianti)
  • Chianti Colline Pisane (Hinterland um Pisa und Livorno)
  • Chianti Colli Senesi (um Siena)
  • Chianti Montalbano (um Carmignano)
  • Chianti Montespertoli (seit 1997; an der Westseite zum Chianti Colli Fiorentini)
  • Chianti Rufina (um Florenz/Pontassieve nordöstlich)

PRODUKTION:
Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Chianti zu einem Massenwein, abgefüllt in den typischen, mit Bast umwickelten Flaschen (fiasco), und in großen Mengen exportiert. Die DOC-Klassifizierung 1967 sah im Wesentlichen noch das Ricasoli-Rezept vor, in dem bis zu 30% weiße Sorten erlaubt waren. Auch der Ertrag von 80 hl/ha und der Mindest-Extraktgehalt war noch sehr großzügig. Im Jahre 1984 erhielt der Chianti den DOCG-Status, was mit großen Veränderungen verbunden war. Die zwei weißen Sorten Trebbiano Toscano und Malvasia waren nicht mehr zwingend vorgesehen, sondern wurden alternativ auf maximal 10% beim Chianti bzw. 6% beim Chianti Classico beschränkt. Außerdem wurde der Hektar-Ertrag stark reduziert und das Alter der Rebstöcke für DOCG-Chiantis auf zumindest fünf Jahre festgelegt. Dadurch ergaben sich bedeutende Qualitäts-Verbesserungen, die sich vor allem auf die Lagerfähigkeit der Weine auswirkten. Weiters wurden bis zu 10% auch andere rote Rebsorten erlaubt, vor allem waren dies Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah. Zusätzlich wurde auch der Barrique-Ausbau gestattet, der aber noch zum Großteil mit wesentlich größeren Fässern erfolgt (bis 100 hl). Dadurch wandelte sich der herbe Stil des eher hellroten Chianti zu einem dunklen, Tannin reichen und lagerfähigen Rotwein, der von Spitzen-Produzenten zu den besten Italiens gehört.
Im Jahre 1996 erfolgte eine Änderung der Bestimmungen mit unterschiedlichen Vorschriften für Chianti und Chianti-Classico. Für den Chianti sind die Vorgaben bezüglich Hektarertrag, Alkohol-Gehalt und Säuregrad per Subzone etwas unterschiedlich. Die Vermarktung darf grundsätzlich frühestens am 1. März des auf die Ernte folgenden Jahres erfolgen. Die Rebsortenmischung ist zumindest 75 bis 100% Sangiovese, maximal 10% Canaiolo Nero, maximal 10% andere zugelassene rote Rebsorten, sowie maximal 10% die weißen Sorten Trebbiano Toscano und/oder Malvasia. Der Höchstertrag beträgt 9.000 kg je Hektar für den normalen Chianti und 8.000 kg je Hektar für die sieben Subzonen. Die Restsüße darf maximal 4 g/l betragen. Der Mindest-Alkohol-Gehalt beträgt für den normalen Chianti und die Subzonen Colli Aretini, Colli Senesi, Colline Pisane und Montalbano 11,5% vol; für die Subzonen Colli Fiorentini, Rufina und Montespertoli sowie den Superiore 12% Vol. Für den Riserva gelten ebenfalls 12% Vol., sowie für sechs Subzonen außer Montespertoli 12,5% Vol. Der Riserva muss zumindest zwei Jahre reifen, davon zumindest drei Monate in der Flasche. Im gesamten Chianti-Gebiet werden jährlich rund 100 Millionen Liter Wein produziert, der Anteil des Chianti Classico beträgt rund ein Viertel. Die früher im Chianti-Bereich weit verbreitete Technik des Governo wird nur mehr selten angewendet. Um die Möglichkeit zu geben, auch andere DOC-Weine zu erzeugen, wurden die zwei DOC-Bezeichnungen Colli dell´ Etruria Centrale und Vin Santo del Chianti geschaffen.

KLIMA:
Nicht nur wegen der großen Ausdehnung des Chianti, auch wegen seiner enormen Höhenunterschiede bis zu 700 Metern zwischen den niedrigsten und höchsten Rebpflanzungen variieren auch klimatische Bedingungen und Bodenverhältnisse von Zone zu Zone. Der westliche Teil liegt im Einflussbereich des feuchten Meeresklimas, der östliche Teil ist den kalten Winden ausgesetzt, die von den Apennin kommen und besitzt entsprechend auch die Niederschlagsmengen. Vom Frühling bis zum Herbst bestimmen ausreichende Sonneneinstrahlung, mittlere Regenmengen und mäßige Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht das Klima. Nur selten kommt es zu Extremen wie Hagelschlag oder starkem Frost. Abgeleitet heißt das, der Chianti ist kein einheitlicher Wein.

BODEN:
Allgemein ist der Untergrund felsig und nur von einer relativ dünnen Erdschicht bedeckt. Er ist kalkig-mergelig, wobei Sandstein, Tonschiefer (Letten), Sand/Kiesel in den höheren Lagen (Rebbau ist bis zu 700 Meter über NN erlaubt) zu finden sind.

REBSORTEN:
Die klassischen Trauben des Chianti sind Sangiovese, Canaiolo, Trebbiano und Malvasia. Wobei der Premierminister und Önologe Barone Ricasoli auf seinem Castello di Brolio (um 1834 bis 1837) die optimale Traubenmischung für den Chianti Classico suchte und festlegte: 70% Sangiovese, 15% Canaiolo, 10% Trebbiano und Malvasia, Rest Komplementärtrauben. Hiernach wurde sich lange gerichtet, nur die Mengenverhältnisse wurden von Zeit zu Zeit geändert. Seit 1996 darf ein Chianti aus 75 bis 100% Sangiovese gekeltert sein. Bei Zugaben von bis zu 10% Canaiolo, 6% Trebbiano und Malvasia und bis zu 15% jeder beliebigen anderen roten Sorte.

WEINKLASSIFIKATION:
Schon seit dem 13. Jahrhundert produzieren einige toskanische Familien Chianti von mehr oder weniger unterschiedlicher Qualität. Erst die EG-Bestimmungen und immer wieder neue Weinskandale forderten von Italien ein Weinkontrollsystem. Aber auch Beständigkeit, weg von der Masse hin zu Qualität. 1967 nahm man folgende Einteilung vor: Vino da tavola (VdT, einfache Tafelweine), Denominazione di Origine Controllata (DOC, Qualitätsweine) und DOCG (das G steht für e Garantita, eine Sptizenkategorie, die Anfang der 80er Jahre aufkam). Viele der Winzer fanden die Bestimmungen zu eng und starr. Diese waren experimentier- und innovationsfreudig und kelterten VdTs oder auch die sogenannten Super Toscani nach ihren Vorstellungen, mit klangvollen Fantasienamen wie Sassicaia oder Tignanello von Antinori. Diese wurden schnell weltberühmt und stellten unter Beweis, dass toskanische Weinmacher zu Bestleistungen in der Lage sind. Sie brachten aber das Weingesetz in Verruf. 1992 trat eine Neufassung in Kraft. Sie regelt die Grenzen der Produktionszone, die Bodenbeschaffenheit, die Rebsorten, den Pflanzplan, Stockdichte per Hektar, Alkoholgehalt, Verarbeitungsmethoden, Lagerung (z.B. der Riserva muss 24 Monate lagern, davon mindestens 3 Monate in der Flasche reifen ) und vieles mehr. Nach dieser neuen Regelung sind nur die allereinfachsten Weine VdT. Eine neue Kategorie, Indicazione Geografica Tipica (IGT), umfasst regionale Weinstile. Ein deutlicher Vorteil des Pyramiden-Systems ist der, dass es in der Hand des Winzers liegt, wie hoch er seinen Wein eingestuft haben will. Folgend noch einmal die Stufen:

  • Vino da tavola ( keine geografischen oder Sortennamen)
  • Indicazione Geografica Tipica (nach Vorbild des vin de pays, es darf ein geografischer und Sortenname – stets in dieser Rangfolge - benutzt werden)
  • Denominazione d´Origine Controllata
  • Denominazione d´Origine Controllata Garantita (auf diesen beiden Stufen dürfen spezifische Details wie Einzellagen (vigna) benutzt werden)

BESONDERHEIT:
Darüber hinaus haben sich die Winzer des Konsortiums des Chinati Classico als Wappentier des Weinsiegels am Flaschenhals den schwarzen Hahn (gallo nero) gewählt. Seit dem Jahrgang 2004 wird der schwarze Hahn zum Symbol für alle Chianti Classico Weine. Im Auftrag des Landwirtschaftministeriums üben gewisse Konsortien Kontrollfunktionen über die gesamte Appellation aus, also auch über die Nichtmitglieder. Vorraussetzung für diese Kompetenzen ist, dass die Mitglieder mindestens zwei Drittel der Gesamtproduktion vertreten. Nach der Fusion der beiden formell bisher getrennten Konsortien gibt es heute nur noch ein einziges Konsortium, da Consorzio del Vino Chianti Classico. Es übernahm auch Aufgaben (Marketing und Promotion) des aufgelösten Konsortiums des Schwarzen Hahns (ital. Marchio Storico).